Gestern war T-Day und heute habe ich meine neuen Lieblingshelden zur Guillotine begleitet, und jetzt ist es Zeit für einen Drink, eine neue amerikanische Präsidentin und ein Buch mit Happy End, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Dass Hilary Mantel so schreiben kann, dass es einem beinahe das Herz aus der Brust reißt, ist nichts Neues. Nach Wolf Hall und Bring Up The Bodies war ich darauf vorbereitet, dass ich nach neunhundert Seiten A Place Of Greater Safety wahrscheinlich ein Wrack sein werde. Tatsächlich ein zitterndes Wrack. wie es bisher nur zweimal geschehen ist. Einmal mit Thomas Hardys Tess Of The D'Urbervilles und einmal mit Charles Dickens' A Tale Of Two Cities. In letzterem ist Sydney Carton aufs Schafott gestiegen und diesmal - nebst zahlreichen anderen - Camille Desmoulins.
Ich finde es ja grundsätzlich ganz schön mit diesen literary crushes, nur frage ich mich, warum meine immer hingerichtet werden. Immerhin gibt es noch Rochester, der ist am Ende nur ein bisschen blind.
Anyway, zum Buch: Hilary Mantel macht das, worin sie grandios ist (in allem anderen Literarischen wahrscheinlich auch, aber so weit bin ich mit ihrem Oeuvre noch nicht): sie nimmt ein paar historische Gestalten bzw. ein historisches Ereignis und kombiniert das, was tatsächlich belegt ist, mit ihrer Fantasie. A Place Of Greater Safety liest sich wie das Who is Who der Französischen Revolution und ihrer Gegenspieler: Marat, Lafayette, de Sade, Talleyrand, Napoleon, Marie Antoinette, Louis XVI, aber tatsächlich geht es um drei der ganz, ganz Großen dieser Zeit: Danton, Desmoulins und Robespierre.
Mantel fängt mit ihrer Geburt an und endet mit dem Tod von Danton und Desmoulins im April 1794. Robespierre lebte noch bis Juli desselben Jahres, wird am Ende in einer Notiz mitgeteilt.
Das Buch ist schwierig zu lesen. Während der ersten zweihundert Seiten habe ich mehr Zeit mit diversen Wikipedia-Artikeln verbracht als mit dem Buch. Hilary Mantel verlangt ihren Lesern ab, dass sie mitarbeiten, und das gefällt mir. Sie belohnt einen dafür mit einem historischen Roman, der genauso literarisch wie spannend ist. Poetisch und nervenaufreibend. Mit Charakteren, die ambivalent sind und sämtliche Grauzonen ausschöpfen. Ich habe mich Hals über Kopf in Camille Desmoulins verliebt und ein bisschen auch in seine Frau. So sehr, dass ich einen Charakter in einer Kurzgeschichte nach ihr benannt habe.
Ich würde am liebsten gleich wieder von vorn anfangen.
A Place Of Greater Safety. Was das bedeutet, wird irgendwo in der zweiten Hälfte erklärt, nachdem ich mich über diesen sperrigen, wunderbaren Titel gewundert habe.
Das Grab, sagt Camille.