Dass Speak, Memory keine herkömmliche Autobiographie ist, hätte ich nach der Lektüre so vieler Nabokov-Bücher eigentlich wissen müssen. Das Buch ist weder chronologisch noch allumfassend, und genau das macht die Faszination aus. Dieses Schwebende, Flirrende, das damit einhergeht, die Lücken, die entstehen, und die man - wie in einem sehr guten Roman - selber füllen muss.
Der Schwerpunkt liegt auf den ersten zwanzig Lebensjahren von Vladimir Nabokov, die er mehrheitlich in seiner Heimat Russland verbracht hat, in die er später nie wieder zurückkehren würde. Heiße Sommer auf dem Landsitz der Familie, die Jagd nach Schmetterlingen, seiner großen Leidenschaft (nebst Literatur und Schach), Porträts der zahlreichen Lehrer, die er und sein Bruder im Laufe der Zeit hatten, die erste Liebe und - ganz am Anfang - ein Abriss seiner Familiengeschichte, der mich, die studierte Historikerin, mit offenem Mund hat in der S-Bahn sitzen lassen.
Was gäbe ich für so einen illustren Stammbaum.
Und dann die Beschreibung seiner Anfänge im Exil, Studium in Cambridge, einige Jahre in Berlin, das habe ich natürlich mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen. Nabokovs Darstellung "meiner" Stadt ist immer wieder faszinierend, und oft gehe ich durch die Straßen und denke an ihn. Tatsächlich war eine meiner ersten Unternehmungen, als ich neu in Berlin war, das Haus in Halensee zu suchen, in dem er einige Jahre gelebt hat.
Eine vage Suche nach einer Verbindung, die keine ist.
Und ich merke einmal mehr, über Nabokov zu schreiben ist beinahe so schwierig wie ihn zu lesen. Aber zumindest letzteres sei jedem ans Herz gelegt.