Dickens ist ja klassische Weihnachtsliteratur, irgendwie, und über die Feiertage hatte ich endlich Gelegenheit, The Old Curiosity Shop zu Ende zu lesen.
Es sei das traurigste Buch von Dickens, wurde mir neulich von einer belesenen Person gesagt, und er habe es aus diesem Grund irgendwann beiseite gelegt. Ich war also gewarnt, dass die Geschichte von der armen Nell Trent und ihrem Großvater nicht besonders fröhlich werden würde, aber in typischer Dickens-Manier gibt es nebst all der Traurigkeit genug lustige, charmante, absurde Begebenheiten und Charaktere, um über die durchaus deprimierenden Aspekte dieses Buches hinwegzuhelfen. Nell Trent ist eine der unglaublich duldsamen Frauenfiguren, die Dickens so häufig erschaffen hat, und die mein einziges Problem mit ihm ausmachen. Sie kümmert sich aufopferungsvoll um ihren Großvater, der in dem Wahn, damit ihr Glück zu machen, sämtliches Geld verspielt, und wird von ihrer Umgebung mehr als Engel denn als Mensch gesehen. Weitaus spannender als sie sind daher die Nebenfiguren, legendäre Bösewichte wie der Zwerg Mr. Quilp, der herzensgute Kit oder das kleine Dienstmädchen, das den Namen "The Marchioness" verpasst bekommt und hinter der mehr steckt, als man erwarten würde. Dickens schickt seine Hauptfiguren hier auf eine Art Roadtrip durch England, so dass das Dickens-London eine weniger große Rolle spielt, und auch wenn Nell in jeglicher Hinsicht ein bisschen blass ist, macht der Reigen an Nebenschauplätzen das Buch sehr, sehr lesenswert. Nur noch zwei Dickens auf meiner Liste - und was dann? Ich bin grundsätzlich eine Freundin von Spätwerken. Je später im Leben eines Autors ein Buch geschrieben wurde, desto mehr mag ich es üblicherweise. Vielleicht weil diese Bücher meistens ein bisschen düsterer und kantiger sind - schreibt die Person, die früher grundsätzlich nur Bücher mit Happy End gelesen hat und das wahrscheinlich immer noch tun würde, hätte nicht der Großteil der wirklich großartigen Bücher ein tragisches Ende.
Our Mutual Friend hat immerhin ein Happy End, bzw. in typischer Dickens-Manier gleich mehrere. Die Figuren, an denen man wirklich hängt, sind am Ende der gut achthundert Seiten glücklicher als am Anfang. Es wird geheiratet und geerbt. Es gibt Mordversuche und hinterhältige Plots, und ohne die Charakterliste auf Wikipedia wäre ich einmal mehr verloren gewesen, zumindest am Anfang. Zur Handlung: Ein alter, miesepetriger, reicher Mann stirbt und sein entfremdeter Sohn, John Harmon, kommt aus Übersee zurück, um sein Erbe anzutreten. Bevor er dies tun kann, kommt er unter dubiosen Umständen ums Leben. Das Erbe geht an die treuen Bediensteten des Verstorbenen, Mr. und Mrs. Boffin. Diese beiden herzensguten Menschen nehmen die junge Bella zu sich, die zu heiraten Voraussetzung für John gewesen wäre, damit er hätte sein Erbe antreten können. Mithilfe eines mysteriösen Sekretärs, John Rokesmith, lernen die Boffins, mit ihrem neuen Leben als wohlhabende Mitglieder der Oberklasse klarzukommen. Soviel zum allerwichtigsten Erzählstrang. Aber Dickens wäre nicht Dickens, wenn er nicht zahlreiche andere Erzählstränge eingebaut hätte. Da ist die junge Lizzie Hexam aus ärmlichen Verhältnissen, die versucht, sich ein besseres Leben zu aufzubauen. Da ist ihre Freundin Jenny Wren, die verkrüppelte Puppenmacherin. Da sind die leichtlebigen Anwälte Lightwood und Wrayburn und da ist der Schulmeister Headstone. Ihrer aller Geschichten hängen zusammen und sie alle machen Sinn in der Geschichte - bis auf die Subplots, die sich mit den Familien Veneering, Podsnap und Lammle beschäftigen. Wahrscheinlich wollte Dickens mit ihnen die Oberflächlichkeit der guten Gesellschaft karikieren, aber das hätte es gar nicht gebraucht. Also habe ich von Zeit zu Zeit etwas weniger aufmerksam gelesen, was dem Vergnügen aber nur wenig Abbruch getan hat. Our Mutual Friend ist kein typisches Spätwerk, aber ein typischer Dickens, und ich bin froh, dass jetzt ein paar mehr seiner Figuren meinen Kopf bevölkern. Charles Dickens war der Meinung, Martin Chuzzlewit sei sein bestes Buch, aber so ganz kann ich mich dieser Meinung nicht anschließen, und das nicht nur, weil ich für den Rest meines Lebens in Sydney Carton aus A Tale Of Two Cities verknallt sein werde.
Aber auch wenn ich nicht finden kann, dass es sein bestes Buch ist, ist es doch immer noch ziemlich gut. Die Vorstellung, dass Dickens schlecht geschrieben haben könnte, ist lachhaft. In typischer Manier wirft er in Martin Chuzzlewit eine Ansammlung von höchst unterschiedlichen Charakteren zusammen und lässt sie in spannenden, herzzerreißenden, absurden und ab und zu auch ziemlich unrealistischen Handlungsbögen ihre Wege gehen. Es fängt an mit Martin Chuzzlewit, der von seinem wohlhabenden Großvater, der denselben Namen trägt, verstoßen wird. Dann haben wir mit Mr. Pecksniff einen unerträglich heuchlerischen Speichellecker, den zu hassen unglaublich viel Spaß macht. In Jonas Chuzzlewit manifestiert sich der zweite Bösewicht des Buches, und in den Herren John Westlock, Tom Pinch und Mark Tapley das Gegenteil hierzu. Über Dickens' Frauenbild rege ich mich nicht mehr auf, auch wenn es wie so häufig zu wünschen übrig lässt. Ein bisschen weniger Blässe hätte seinen weiblichen Protagonistinnen gut getan, aber es ist, wie es ist, und er macht das mit all den anderen bunten Figuren beinahe wieder wett. (Normalerweise bin ich nicht so nachsichtig, aber Dickens ist Dickens...) Das Besondere an diesem Buch ist, nicht zuletzt aus historischen Gründen, dass er in diesem Buch - passend zu seiner eigenen Reise dorthin - zwei seiner Protagonisten einen dramatischen Abstecher nach Amerika machen lässt. Dass ihm Antiamerikanismus vorgeworfen wurde, ist nach der Lektüre dieser Passagen nicht mehr verwunderlich, und im Nachwort - nach einer zweiten Reise über den Atlantik - fühlte er sich denn auch bemüßigt, seine negative Darstellung wieder abzuschwächen. Aber zu sehen, dass Dickens' eindeutige soziale Haltung auch beim Thema Sklaverei nicht halt macht, das ist schön. Mein bekanntes Problem mit Charles Dickens ist ja, dass ich ihn falschrum lese. Ich habe mit den schweren, düsteren Brocken angefangen und mittlerweile fehlen mir mehrheitlich noch die Frühwerke.
The Pickwick Papers ist sein Erstling, der - wie damals üblich - in monatlichen Ausgaben, die aus mehreren Kapiteln bestanden, nach und nach veröffentlicht wurde. Ursprünglich war es nicht als Roman geplant, sondern als eine Reihe von Anekdoten, Erlebnissen der Mitglieder des Pickwick Clubs, und das merkt man auch. Es geht damit los, dass vier Herren, der titelgebende Mr. Pickwick, Mr. Tupman, der sich für einen großen Verführer hält, der Möchtegern-Poet Mr. Snodgrass und der scheinbar unglaublich sportliche Mr. Winkle, sich auf eine Reise machen, um England und seine Eigenheiten kennenzulernen. Was sie dabei erleben, ist ganz amüsant, wenn auch nicht besonders aufregend - die vier gehören eher zur weltfremden Sorte Mensch. Dass das ursprüngliche Konzept die Leser nicht unbedingt von den Stühlen gehauen hat, wurde auch Dickens relativ bald klar, und im ersten seiner Geniestreiche erfand er den jungen Samuel Weller, den Mr. Pickwick unterwegs aufgabelt und der fortan als sein Diener fungiert. Samuel Weller ist das Herz und vor allem das Hirn des Buches, und seine Weltsicht (mit der er nicht hinter dem Berg hält) und seine treffenden Beobachtungen zu den Ereignissen um ihn herum sind mit das Beste, was es von Dickens zu lesen gibt. Auch Sams Vater, der eine unüberwindliche, jedoch leicht erklärbare Abneigung gegen Witwen hat, hat zahlreiche sehr denkwürdige Auftritte. Die anderen drei Herren geraten nach und nach in den Hintergrund und auch die für Dickens so übliche Sozialkritik kommt irgendwann zum Tragen, als der wohlhabende Mr. Pickwick durch skurrile Umstände ein Schuldnergefängnis von innen kennenlernt. Am Ende bin ich also doch wieder begeistert und dem Charme dieser Charaktere mit Freuden erlegen. Langsam aber sicher schrumpft der Stapel an Dickens-Schmökern, die noch gelesen werden müssen und ich fürchte, ich werde bald wieder von Vorne anfangen.
Dombey and Son ist gewohnt herzzerreißend, voller skurriler Gestalten und Sozialkritik - ein typischer Dickens, und das ist wirklich nichts Negatives. Paul Dombey ist Herrscher über ein kleines Imperium, sowohl geschäftlich als auch zu Hause. Verwitwet, Vater von zwei Kindern, interessiert er sich nur für seinen Sohn und Erben, ebenfalls Paul, und vernachlässigt seine Tochter Florence komplett. Er ist unzugänglich, stolz und im Großen und Ganzen komplett unerträglich (was ihm in einer der besten Szenen des Buches auch gesagt wird). Florence versteht, verzeiht und liebt ihn trotzdem, was ebenfalls typisch für Dickens - meiner Meinung nach sind Figuren wie sie, so liebenswert sie auch sein mögen, der entscheidende Schwachpunkt der meisten seiner Bücher. Frauen als Hure oder Heilige, viel scheint es dazwischen nicht zu geben, auch wenn es in Dombey and Son ein paar Versuche gibt, weibliche Figuren anders darzustellen. Edith, die zweite Mrs. Dombey, hat eine Vergangenheit und zwingt ihren Mann in die Knie, das ist spannend, aber am Ende fällt Dickens' Urteil über sie auch eher verstaubt aus. Anderes gilt für die unvergleichliche Susan Nipper, das Dienstmädchen, das Florence von ganzem Herzen ergeben ist, und deren Beschützerinstinkt nur noch von Diogenes übertroffen wird, der unter literarischen Haustieren einen ganz besonderen Platz einnehmen müsste. Es gibt also einen Hund, ein (fast) feministisches Dienstmädchen, ein paar raubeinige, herzensgute Seefahrer, verliebte alte Jungfern, verliebte Junggesellen, diverse (Möchtegern-)Kriminelle, eine Menge sentimentales Drama und ein Happy End. Was kann man mehr wollen? Ich lese Charles Dickens' Bücher in der falschen Reihenfolge, was keine besonders gute Idee ist. Oliver Twist, sein Zweitling, ist mit sein bekanntestes Buch, vielleicht sogar noch bekannter als David Copperfield, und tatsächlich hat die Geschichte um den Waisenjungen Oliver, dessen Herkunft erst in den letzten Seiten des Buches geklärt wird, eine gewisse Kraft. Es gibt die übliche Ansammlung an Dickens-typischen schrägen Charakteren (allen voran Mr. Grimwig) und es ist an Tragik kaum zu überbieten, als Oliver durch unglückliche Umstände in die Fänge einer Londoner Kriminellenbande gerät, deren Beweggründe, ihn bei sich zu behalten, auch noch wesentlich komplexer sind als man anfangs annimmt.
Gleichzeitig liegt da aber auch die größte Schwäche des Buches, das mit all den Fäden, die am Ende auf wundersame Weise verknüpft werden, leider zeitweise einen sehr, sehr konstruierten Eindruck macht. Die Figur Oliver Twist bleibt über weite Teile blass, was dazu führt, dass man nicht ganz so sehr mit ihm mitleidet, wie man eigentlich möchte - er ist passiv und steht mehrheitlich als Opfer da. Nichts, was ihm widerfährt, ist auf seine eigene Initiative zurückzuführen, einzig ein Ausbruch, als seine Mutter beleidigt wird, zeugt davon, dass in ihm doch mehr steckt. Am Besten ist Dickens, wenn er ganze Eimer voller Sozialkritik über den Lesern ausschüttet. Seine Satire ist vor allem am Anfang beinahe zynisch und seine Darstellung des nicht vorhandenen Sozialsystems in der frühen Mitte des 19. Jahrhunderts grandios. Mein liebstes Kapitel kam ganz zum Schluss und beinhaltet diesmal nicht einen Heiratsantrag (den es natürlich trotzdem gab), sondern die letzte Nacht von Fagin, dem Anführer der Kriminellen. Dem Sog der Verzweiflung, der in dieser Szene entwickelt wird, kann man nicht ausweichen, und das ist auch gut so. Ich mag es nicht, wenn man mir Bücher schenkt, denn es führt üblicherweise nur dazu, dass ich aus Pflichtgefühl etwas lese, was ich nicht lesen will, was mich davon abhält, das zu lesen, was ich tatsächlich lesen will.
So weit, so neurotisch. Ab und zu gibt es aber mutige Menschen, die sich für meine Neurosen nicht interessieren (oder zumindest nicht für diese). Und ab und zu muss ich dann zugeben, dass es gar nicht so falsch ist, sich überraschen zu lassen. Als ich an meinem letzten Geburtstag neben einem hübschen Wildblumenstrauß Judith Flanders' Buch über Dickens' London auf meinem Schreibtisch fand, hätte ich den Schenkenden am liebsten noch einmal geheiratet, denn jemand, der sich monatelang immer wieder begeisterte Monologe über Dickens' Bücher anhört und diese Obsession dann auch noch fördert, hat es nicht anders verdient. Ich liebe Dickens, das dürften die Leser dieses Blogs mittlerweile mitbekommen haben. Und trotzdem ist man als normaler Leser des 21. Jahrhunderts gezwungen, über manche Details einfach hinwegzulesen, will man nicht die Hälfte der Zeit mit Recherchen verbringen. The Victorian City löst dieses Problem beeindruckend effizient und unterhaltsam. Ich habe gestaunt angesichts der Erkenntnisse, die sich nach und nach aufgetan haben - angefangen vom Londoner Straßenleben über das ausgeklügelte Transportsystem und die Erfindung der Feuerwehr bis zu den Berichten über die Rotlichtviertel der Stadt. Von nun an werde ich Dickens noch einmal komplett anders lesen, und sehe das, was ich bereits kenne, mit völlig neuen Augen. Außerdem hat der Held aus Roses Geschichte diesem Buch seinen Namen zu verdanken. Charles Dickens' The Mystery Of Edwin Drood ist "mysterious" in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist der Roman als klassische Whodunnit-Geschichte angelegt - im beschaulichen Cloisterham verschwindet der junge Edwin Drood und es stellt sich die Frage, ist er aus eigenem Antrieb verschwunden (schließlich ist kurz vor seinem Verschwinden seine Verlobung mit der süßen Rosa in die Brüche gegangen) oder doch ermordet worden, und wenn ja, von wem? Verdächtige gibt es genug, auch wenn die Tendenz dahin geht, dass sein Onkel John Jasper, der Chorleiter der Kathedrale, für den Schuldigen gehalten wird - schließlich ist dieses nach außen hin äußerst respektable Gemeindemitglied opiumsüchtig und außerdem in solcher Liebe zu Rosa entbrannt, dass es schon wahnhafte Züge trägt.
Das Dumme bei diesem Krimi nach Dickens' Art ist nun allerdings, dass man nie erfährt, wer der Mörder ist - Dickens ist gestorben, bevor er es fertigstellen konnte, und böse Zungen behaupten, dass ihm das gerade recht kam. Ich bin sicher, dass er wusste, wo er hinwollte, und nachdem die ersten zweihundert Seiten für Dickens' Verhältnisse etwas zäh waren, hat die Geschichte danach dermaßen Fahrt aufgenommen, dass ich mich permanent dabei ertappe, die Geschichte in meinem Kopf weiterzuschreiben - würde ich es tatsächlich tun, wäre ich nicht die erste, es gibt zahlreiche Versionen. Ich sehe John Jasper als Mörder, der - endlich überführt - im Gefängnis endgültig wahnsinnig wird, wobei diesem dunklen, geheimnisvollen Antihelden eine gewisse Anziehungskraft nicht abzusprechen ist - und ich glaube, das hat auch Rosa gemerkt, immerhin hat seine Liebeserklärung sie bis nach London in die Flucht getrieben, so dass der böse Zauber, den er anscheinend über sie gelegt hat, doch eine leicht sexuelle Komponente gehabt haben dürfte. Der boxende, schwimmende Reverend Crisparkle hat ganz eindeutig eine Schwäche für Helena Landless, die ganz bestimmt auf Gegenseitigkeit beruht - denn wer hat ein Happy End verdient, wenn nicht er? Gleichzeitig sehe ich Rosa mit Mr. Tartar glücklicher als sie es mit dem oberflächlichen Edwin Drood (mit Abstand die langweiligste Figur in der ganzen Geschichte) hätte sein können. Ich sollte tatsächlich meinen eigenen Kram schreiben und mich nicht als Möchtegern-Dickens versuchen, aber wie dem auch sei - das Buch ist ebenso lesenswert wie all seine Werke, und wieder voller Nebencharaktere, die sich heimlich, still und leise ins Herz des Lesers schleichen. Mein Favorit bei Edwin Drood? Ganz eindeutig Rosas Vormund Mr. Grewgious. Am vergangenen Donnerstag stand ich im Poets' Corner der Westminster Abbey am Grab von Charles Dickens. Und an jenem von Thomas Hardy, denn die beiden liegen direkt nebeneinander. Ich stand nicht nur am Grab meiner literarischen Helden, sondern habe versucht, das London des 21. Jahrhunderts mit Dickens' Augen zu sehen. Ich bin die Oxford Street entlang und durch den Temple hindurch gelaufen. Stand in der Chancery Lane und der Fleet Street und habe - frierend im englischen Nieselregen - sicherheitshalber noch einmal nachgelesen, welche der Straßen in Bleak House und welche in A Tale Of Two Cities vorkommt. Im Tower habe ich mich an Wolf Hall erinnert - an Thomas Cromwell und Anne Boleyn. Sprich: die Ungläubige war im literarischen Himmel - und im cineastisch-theatralischen ebenso (Richard II. Royal Shakespeare Company. David Tennant. Barbican Theatre - need I say more?).
Und in all dieser Zeit habe ich Hard Times mit mir herumgeschleppt - ironischerweise genau das von Dickens' Werken, in dem London kaum eine Rolle spielt. Aber auch wenn die Geschichte statt in London im fiktiven Coketown (Manchester?) spielt, ist es Dickens. Ein Buch voller Wärme und Sozialkritik, voller skurriler, liebenswerter oder nicht so liebenswerter Charaktere. Mr. Gradgrind erzieht seine beiden Kinder, Louisa und Tom, in bester Absicht nur nach Fakten. Phantasie hat bei ihm keinen Platz, auch dann nicht, als er Sissy Jupe, das Mädchen vom Wanderzirkus, bei sich aufnimmt. Louisa heiratet den fürchterlichen Mr. Bounderby, weil ihr geliebter Bruder sich davon Vorteile erhofft, und ist in einer lieblosen Ehe gefangen, bis der attraktive, aber - ebenso wie ihr Bruder - charakterschwache Mr. Harthouse ihr zeigt, dass das Leben nicht nur aus vorhersehbaren Fakten besteht und sie in einem Akt der Verzweiflung ihren Vater dazu bringt, seine Fehler einzusehen. In einer Nebenhandlung wird die Geschichte von Stephen Blackpool erzählt, einem Arbeiter in Mr. Bounderbys Fabrik, den Dickens in zahlreichen tragikomischen Momenten dem aufgeblasenen Mr. Bounderby gegenüberstellt. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Charles Dickens wird zu Recht als Genie bezeichnet. Aber jegliche Angst, sich mit einem der "ganz Großen" der englischen Literatur auseinanderzusetzen, ist völlig fehl am Platz. Abgesehen von aller Genialität macht es in erster Linie einfach unglaublich viel Spaß, seine Bücher zu lesen. |
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