So weit, so neurotisch.
Ab und zu gibt es aber mutige Menschen, die sich für meine Neurosen nicht interessieren (oder zumindest nicht für diese). Und ab und zu muss ich dann zugeben, dass es gar nicht so falsch ist, sich überraschen zu lassen.
Als ich an meinem letzten Geburtstag neben einem hübschen Wildblumenstrauß Judith Flanders' Buch über Dickens' London auf meinem Schreibtisch fand, hätte ich den Schenkenden am liebsten noch einmal geheiratet, denn jemand, der sich monatelang immer wieder begeisterte Monologe über Dickens' Bücher anhört und diese Obsession dann auch noch fördert, hat es nicht anders verdient.
Ich liebe Dickens, das dürften die Leser dieses Blogs mittlerweile mitbekommen haben. Und trotzdem ist man als normaler Leser des 21. Jahrhunderts gezwungen, über manche Details einfach hinwegzulesen, will man nicht die Hälfte der Zeit mit Recherchen verbringen.
The Victorian City löst dieses Problem beeindruckend effizient und unterhaltsam. Ich habe gestaunt angesichts der Erkenntnisse, die sich nach und nach aufgetan haben - angefangen vom Londoner Straßenleben über das ausgeklügelte Transportsystem und die Erfindung der Feuerwehr bis zu den Berichten über die Rotlichtviertel der Stadt. Von nun an werde ich Dickens noch einmal komplett anders lesen, und sehe das, was ich bereits kenne, mit völlig neuen Augen.
Außerdem hat der Held aus Roses Geschichte diesem Buch seinen Namen zu verdanken.