Es sei das traurigste Buch von Dickens, wurde mir neulich von einer belesenen Person gesagt, und er habe es aus diesem Grund irgendwann beiseite gelegt.
Ich war also gewarnt, dass die Geschichte von der armen Nell Trent und ihrem Großvater nicht besonders fröhlich werden würde, aber in typischer Dickens-Manier gibt es nebst all der Traurigkeit genug lustige, charmante, absurde Begebenheiten und Charaktere, um über die durchaus deprimierenden Aspekte dieses Buches hinwegzuhelfen.
Nell Trent ist eine der unglaublich duldsamen Frauenfiguren, die Dickens so häufig erschaffen hat, und die mein einziges Problem mit ihm ausmachen. Sie kümmert sich aufopferungsvoll um ihren Großvater, der in dem Wahn, damit ihr Glück zu machen, sämtliches Geld verspielt, und wird von ihrer Umgebung mehr als Engel denn als Mensch gesehen. Weitaus spannender als sie sind daher die Nebenfiguren, legendäre Bösewichte wie der Zwerg Mr. Quilp, der herzensgute Kit oder das kleine Dienstmädchen, das den Namen "The Marchioness" verpasst bekommt und hinter der mehr steckt, als man erwarten würde.
Dickens schickt seine Hauptfiguren hier auf eine Art Roadtrip durch England, so dass das Dickens-London eine weniger große Rolle spielt, und auch wenn Nell in jeglicher Hinsicht ein bisschen blass ist, macht der Reigen an Nebenschauplätzen das Buch sehr, sehr lesenswert.
Nur noch zwei Dickens auf meiner Liste - und was dann?