Aber auch wenn ich nicht finden kann, dass es sein bestes Buch ist, ist es doch immer noch ziemlich gut. Die Vorstellung, dass Dickens schlecht geschrieben haben könnte, ist lachhaft.
In typischer Manier wirft er in Martin Chuzzlewit eine Ansammlung von höchst unterschiedlichen Charakteren zusammen und lässt sie in spannenden, herzzerreißenden, absurden und ab und zu auch ziemlich unrealistischen Handlungsbögen ihre Wege gehen. Es fängt an mit Martin Chuzzlewit, der von seinem wohlhabenden Großvater, der denselben Namen trägt, verstoßen wird. Dann haben wir mit Mr. Pecksniff einen unerträglich heuchlerischen Speichellecker, den zu hassen unglaublich viel Spaß macht. In Jonas Chuzzlewit manifestiert sich der zweite Bösewicht des Buches, und in den Herren John Westlock, Tom Pinch und Mark Tapley das Gegenteil hierzu.
Über Dickens' Frauenbild rege ich mich nicht mehr auf, auch wenn es wie so häufig zu wünschen übrig lässt. Ein bisschen weniger Blässe hätte seinen weiblichen Protagonistinnen gut getan, aber es ist, wie es ist, und er macht das mit all den anderen bunten Figuren beinahe wieder wett. (Normalerweise bin ich nicht so nachsichtig, aber Dickens ist Dickens...)
Das Besondere an diesem Buch ist, nicht zuletzt aus historischen Gründen, dass er in diesem Buch - passend zu seiner eigenen Reise dorthin - zwei seiner Protagonisten einen dramatischen Abstecher nach Amerika machen lässt. Dass ihm Antiamerikanismus vorgeworfen wurde, ist nach der Lektüre dieser Passagen nicht mehr verwunderlich, und im Nachwort - nach einer zweiten Reise über den Atlantik - fühlte er sich denn auch bemüßigt, seine negative Darstellung wieder abzuschwächen. Aber zu sehen, dass Dickens' eindeutige soziale Haltung auch beim Thema Sklaverei nicht halt macht, das ist schön.