Aber ich schweife ab.
Das scheinbar Entscheidende an dieser Produktion ist, dass Benedict Cumberbatch den Hamlet gibt, und ja, auch ich habe versucht, an Tickets zu kommen, aber nachdem ich schon das Glück hatte, für Januar Karten für die Royal Shakespeare Company und David Tennant als Richard II im selben Saal zu ergattern, mag ich mich nicht beschweren.
Cumberbatch als Hamlet also. Dass er es kann, daran bestand nie ein Zweifel, ich war nur nach vor allem anfangs sehr durchmischten Kritiken gespannt auf die Inszenierung. Hamlet ist ein Heiligtum von mir, während meines Studiums habe ich mich eingehend insbesondere mit den verschiedenen Verfilmungen auseinandergesetzt, und es war schön zu sehen, wie vertraut der Text auch Jahre später noch ist.
Benedict Cumberbatch hat es nun also praktisch geschafft, meinen bisherigen Lieblings-Hamlet Kenneth Branagh von seinem Thron zu stürzen. Die Inszenierung macht aus ihm einen extrem facettenreichen Charakter - zutiefst loyal in seiner Freundschaft zu Horatio und diabolisch illoyal zu Rosencrantz & Guildenstern. Er wäre gern ein liebender Sohn für Gertrude, aber die Umstände sprechen dagegen. Wahrscheinlich würde er sogar Claudius mögen, hätte dieser nicht seinen Vater umgebracht. Er ist eloquent (und das nicht nur wegen Shakespeares Worten), witzig und melancholisch. Ein Zweifler und ein Kämpfer, ironisch und zutiefst emotional.
Aber auch die anderen Figuren sind mehr als nur eine Erwähnung wert. Anastasia Hille ist eine kühle Gertrude, deren Emotionen aber immer dicht unter der Oberfläche liegen. Ciarán Hinds hat als Claudius etwas vom CEO einer großen Firma und Polonius ist der wichtigtuerische Tropf, der er irgendwie immer ist. Ophelia bleibt auf der Strecke, was nicht an der Darstellung von Sian Brooke liegt, sondern daran, dass sie in dieser Inszenierung von den Ereignissen komplett überfahren wird. Sie versteht nicht, was passiert, und sie kann lediglich reagieren, nicht agieren.
Eine Inszenierung mit einer starken Ophelia, oder ein neues Stück, oder ein Roman aus ihrer Sicht, das wäre etwas, was mich sehr, sehr glücklich machen würde. John Updike hat das mit Gertrude & Claudius gemacht und mich völlig begeistert, und das, wo ich alles andere als ein Updike-Fan bin.
Zu erwähnen bleibt noch ein grandioses Bühnenbild und, ach ja, Benedict Cumberbatch. Habe ich Benedict Cumberbatch schon erwähnt? Und seine Stimme? Die wurde nicht umsonst vor einigen Jahren mit dem Schnurren eines Jaguars verglichen. Der Journalistin, die darauf gekommen ist, hatte er in der Folge zu verdanken, dass er sich in diversen Jaguar-Werbungen austoben durfte (nicht, dass ich mich beschweren möchte...).
Ich hätte nichts dagegen, wenn es irgendwann eine DVD gäbe - bis dahin hier ein winziger Einblick.