Mittlerweile hat sie ihren ersten Roman geschrieben und er ist genau so, wie ich ihn erwartet hatte. Es geht um das moderne, heutige Pakistan - um drei Brüder in Mir Ali, der Stadt an der afghanischen Grenze, die als Brutstätte des Terrorismus gilt. Die eigentliche Handlung spielt sich an einem einzigen Vormittag ab - den Stunden vor Eid, dem muslimischen Opferfest. Durch zahlreiche Rückblenden werden allerdings die Fäden verknüpft, die die drei Brüder miteinander und mit anderen Personen verbinden. Da ist der Colonel, der dem ältesten der Brüder Türen öffnet. Da ist Samarra, die große Liebe von zweien der Brüder, in deren Leben die ochsenblutroten Stiefel eines Militärs eine entscheidende, grausame Rolle spielen. Da ist Mina, die Frau des mittleren Bruders, die um ihren bei einem Anschlag ums Leben gekommenen Sohn trauert.
Ein Anschlag wird geplant, und ein Verrat wird begangen.
Bhutto relativiert in ihrem Buch keine Selbstmordattentate und die Verachtung für die Taliban ist aus den Zeilen herauszulesen, aber es macht Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, warum junge Pakistanis sich gegen einen Staatsapparat auflehnen, der korrupt ist ohne Ende und der doch vor der Welt seine Daseinsberechtigung hat, weil er den Himmel über Pakistan an die USA verkauft hat, die ihren Drohnenkrieg dort führen. Ein Staat, der seine Bürger terrorisiert, gehört aus unserer Sicht zu den Guten, weil er den Westen unterstützt. Aber reicht das aus?
Dieser Perspektivwechsel bietet Gedankenanstöße, die gerade bei der aktuellen politischen Lage dringend notwendig sind. Fatima Bhutto schafft es spielend, meiner typisch europäischen Sicht auf die Dinge den Spiegel vorzuhalten, und das ist gut so. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Stringenz der Geschichte von Zeit zu Zeit der Poesie zum Opfer fällt.