Aber meine Güte, ist das ein grandioses Buch.
Die Welt hat bestimmt nicht darauf gewartet, dass ich darauf komme, dass ein Literaturnobelpreisträger schreiben kann, aber wow... Ich bin tatsächlich hingerissen - und überrascht darüber, denn Hundert Jahre Einsamkeit hat nicht zu Unrecht den Stempel "Magischer Realismus" aufgedrückt bekommen, was mich lange, lange hat zögern lassen, das Buch auch nur anzufassen.
Wahrscheinlich habe ich in meiner grenzenlosen Dummheit Die fabelhafte Welt der Amelie erwartet, aber was ich bekommen habe, ist eine ganz andere Kategorie.
Gabriel García Márquez erzählt die sich über hundert Jahre erstreckende Geschichte der Familie Buendía, deren Oberhaupt José Arcadio Buendía die Stadt Macondo gründet. Aus Macondo bewegt sich die Erzählung auch kaum fort - die Buendías kommen und gehen, führen Kriege, segeln um die Welt, werden ins Kloster geschickt, bringen die Eisenbahn eigenhändig in den Ort, bekommen Kinder, gern auch miteinander, werden erschossen oder von Ameisen gefressen.
Und all das beschreibt García Márquez so, dass es tatsächlich realistisch wirkt - vielleicht ist das die Magie? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich in all den Aurelianos und José Arcadios, in den Ursulas, Amarantas und Remedios' verloren habe, wie sich die Buendías in ihrem Haus verlieren, das immer größer und prächtiger und am Ende doch von der Natur überwuchert wird.
Ich bin begeistert nicht nur von der Geschichten und den Figuren, die zwar alle gleich heißen, aber doch so unterschiedlich sind, dass man sie erstaunlich selten durcheinanderbringt, sondern auch von der Sprache. Sinnlich, poetisch und genau an den richtigen Stellen derb.
Ich habe es irgendwann praktisch aufgegeben, Bücher auf Deutsch zu lesen, weil es meinen eigenen Schreibstil beeinflusst hat, aber wenn am Ende so etwas dabei herauskommt, sollte ich das nochmal überdenken.