Jetzt habe ich es im Original und mit ein bisschen mehr Hintergrundwissen lesen können.
Rebecca ist ein schönes, aber seltsames Buch mit zahlreichen Mängeln, die dem Lesegenuss aber kaum einen Abbruch tun. Ich habe die ersten einhundertfünfzig Seiten auf meinem Rückflug von Lissabon letzte Woche gelesen und hätte der Flug länger gedauert, hätte ich da auch nicht aufgehört. Das Buch entwickelt den für eine sensationalist novel typischen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Das Grundgerüst der Geschichte ist einfach: eine junge, naive Frau verliebt sich in einen wesentlich älteren, reichen, geheimnisvollen, attraktiven Mann. Maxim de Winter ist verwitwet, seine Frau Rebecca bei einem Bootsunfall ein Jahr vor Beginn der Geschichte ums Leben gekommen. Nach der Hochzeit bringt er die namenlose Ich-Erzählerin nach Manderley, sein Anwesen in Cornwall, wo nicht nur die zwielichtige Haushälterin Mrs Danvers alles daran setzt, die Erinnerung an Rebecca am Leben zu erhalten.
Es geht um die üblichen Dinge - Liebe, Betrug und Verbrechen - und Daphne du Maurier kann sehr, sehr gut erzählen. Sie tut nicht so, als wäre ihr Buch nicht fürchterlich konstruiert, aber das tut der Spannung keinen Abbruch, und es gibt genug düstere Anspielungen, damit man nicht auf die Idee kommt, sie erzählt eine konventionelle Liebesgeschichte zwischen der neuen Mrs de Winter und Maxim, bei der am Ende alle auf Rosen gebettet sind.
Es gibt genug Lesarten dieses Buches, um zahlreiche weitere Bücher zu füllen - manche feministisch, andere konventionell, aber ich habe versucht, mich von all dem zu lösen und mich auf die Geschichte zu konzentrieren. Was trotzdem auffällt, sind die eindeutigen Parallelen zu Jane Eyre (Daphne du Maurier wurde deswegen des Plagiats bezichtigt), aber diese beiden Bücher zu vergleichen, macht am Ende keinen Sinn - denn welche Geschichte kann tatsächlich noch komplett neu erfunden werden?