Aber entgegen meiner Befürchtungen handelt es sich beim Buch, das eine Bekannte gelesen und mir dann ausgeliehen hat, nicht um religiöse Lektüre.
Normalerweise lese ich keine Bücher, die mir nicht gehören - ich muss hineinschreiben, kommentieren, unterstreichen können, aber ein verregneter Samstag hat genügt, um meine Gewohnheiten zu durchbrechen.
Olga Grjasnowas Roman hat zwei Erzählstränge, die sich nur am Anfang und am Ende kurz begegnen. Amal und Hammoudi sind Syrer aus der besseren Gesellschaft. Sie haben spannende Jobs (sie Schauspielerin, er Arzt), sie haben Freunde, ein Leben (sie in Damaskus, er in Paris), und dann kommt das, was anfangs eine vorsichtige, kultivierte Revolution sein sollte und dann zu einem brutalen Bürgerkrieg wurde, dessen Ende noch immer nicht abzusehen ist.
Amal versucht, ihr normales Leben beizubehalten, aber das ist spätestens dann nicht mehr möglich, als sie an verschiedenen Demonstrationen teilnimmt und identifiziert wird.
Hammoudi ist nur in Syrien, um seinen Pass verlängern zu lassen, und wird nicht mehr aus dem Land gelassen. Also fängt er an, in einem illegalen Krankenhaus Mitglieder der Freien Syrischen Armee zu behandeln.
Es geht um Tod und um Flucht, um unmögliche Leben, und bei jedem Satz denke ich von Neuem darüber nach, dass es Menschen gibt, die jegliche Menschlichkeit verloren haben und das Grundprinzip, dass man Menschen in Not hilft, nicht anerkennen. Es macht mich wütend und ungläubig, und auch wenn dies ein Roman ist, ist er erschreckend, schmerzhaft realistisch.
Was mir weniger gut gefällt, sind formale Dinge - in erster Linie ein etwas schlampiges Lektorat (in einem Buch dieser Kategorie, herausgegeben vom renommierten Aufbau Verlag, erwarte ich keine Rechtschreibfehler). Auch mit dem Stil der Autorin bin ich nicht so recht warm geworden, aber vielleicht sollte ich mein kritisches Auge angesichts der Thematik ein bisschen gnädiger sein lassen.
Wer den Roman lesen möchte, sollte davon absehen, online die Kritiken der besseren Feuilletons zu lesen - offensichtlich denkt man sich bei der Süddeutschen nichts dabei, das Ende zu verraten.