Nun ist mit Ian McEwans Nutshell ein neues Buch dazu gekommen, das sich mit Hamlet beschäftigt - wobei das nie wirklich thematisiert wird. Man kann das Buch in seliger Unwissenheit über sämtliche Hintergründe lesen und es auch so ziemlich gut finden. Aber anders ist es natürlich besser.
Klein-Hamlet ist noch nicht geboren, schwimmt in seiner immer enger werdenden Fruchtblase herum und wird Zeuge eines Komplotts, das Mutter Trudy und Onkel Claude planen. Unterstützt durch den übermäßigen Konsum mehr oder weniger edler Weine, die Hamlet schnell zum Connoisseur gemacht haben, wird darüber philosophiert, wie man Hamlets Vater am Besten umbringen könnte. Frostschutzmittel scheint vielversprechend zu sein, entscheidet man, und das nicht in Norwegen, sondern im hochsommerlichen London angesiedelte Drama nimmt seinen Lauf, sardonisch kommentiert vom Ungeborenen, der vom Eingreifen träumt und gleichzeitig von seinem Erzeuger beinahe genauso enttäuscht ist wie von der mörderischen Mutter. Onkel Claude wird sowieso gehasst, und dass Trudy und Claude die Finger nicht voneinander lassen können, findet Hamlet auch recht unpassend - schließlich bekommt er auch so schon genug Dinge mit, die nicht sein müssten.
Dieser Fötus ist ein aufgewecktes Kerlchen, und man sieht ihn buchstäblich so vor sich, wie er sich selbst in der Zukunft erträumt - ein attraktiver Mann Ende zwanzig, der Rache nimmt - aber ob das noch nötig sein wird, bleibt offen.
Ich fand dieses Buch sehr, sehr gut. Ironisch, komisch und bitterböse ist Hamlets Sicht auf die noch unbekannte Welt, und beinahe möchte ich eine Fortsetzung lesen.