Fünfzig Frauen, darunter Siri Hustvedt, schreiben kurze Essays darüber, was Feminismus für sie bedeutet, und statt eine Rezension über dieses extrem vielfältige, sehr lesenswerte Buch zu schreiben, wird es hier zu Fifty-One Shades Of Feminism, denn ich merke, dass mich dieses Thema je länger desto mehr beschäftigt.
Ich gehöre einer Generation an, deren Erfahrungen mit Sexismus häufig so subtil sind, dass man sich nicht sicher ist - war da wirklich was, oder habe ich es mir eingebildet?
Ich sehe es nicht als sexuelle Belästigung, wenn mir ein paar Bauarbeiter hinterherpfeifen, sondern es bringt mich zum Lächeln. Aber das ist meine Sicht der Dinge.
Wenn ich in der S-Bahn minutenlang angestarrt werde, empfinde ich das als invasiv - denn das ist ein geschlossener Raum, ich kann im Zweifelsfall nicht weg. Und da sind wir schon beim Punkt. Dass ich mir überhaupt Gedanken über einen Fluchtweg mache, zeigt klar genug, dass etwas im Argen liegt.
Ich bin oft genug durch Länder gereist, in denen ich als Frau nicht die gleichen Rechte habe wie Männer. Ich akzeptiere das in diesem Fall, denn ich kann nicht die Welt retten, sondern höchstens mein eigenes Umfeld ändern. Und ja, ich bin dann bequem und finde es ganz angenehm, meine männliche Begleitung reden zu lassen und mir derweil die Landschaft anzuschauen. Aber es ist auch oft genug passiert, dass ich - oft in einer Menschenmenge - angefasst wurde, und das macht mich noch immer wütend.
Es könnte mich auch wütend machen, wenn mir ein durchaus netter Zeitgenosse erzählt, dass Frauen Autos nach Farben aussuchen und Wein nur in Süß trinken, aber darüber lache ich mittlerweile und nehme beruhigend die Hand meiner feministischen besseren Hälfte, die mehr zu köcheln beginnt als ich.
Das bringt mich zu meinem ganz persönlichen Alltag. Ich lebe in einem privilegierten Umfeld, in dem es keine Frage ist, ob Frauen arbeiten gehen und dass die Männer den Staubsauger in die Hand nehmen. Ich erlebe es nie, dass bei einer Abendeinladung die Frau allein in der Küche steht und der Mann sich mit Bier zuschüttet. Ganz ehrlich, solche Freunde will ich auch nicht haben. Aber allein die Tatsache, dass ich diese Situation oben privilegiert genannt habe und nicht selbstverständlich, bringt mich zum Nachdenken.
Meine Erfahrung zeigt, dass intelligente, souveräne Männer sich genauso dem Feminismus verschreiben können wie die dazu gehörenden Frauen. Und leider scheint das die Legitimation zu sein, die der Feminismus braucht. Wenn attraktive, erfolgreiche Männer wie Benedict Cumberbatch oder Nikolai Coster-Waldau sich von der englischen Elle in passenden T-Shirts ablichten lassen, wird Feminismus plötzlich salonfähig, denn dann denkt keiner mehr an die sprichwörtlichen männerhassenden, BH-losen Emanzen mit Haaren an Stellen, wo man keine Haare zu haben hat - Feminismus wird glamourös.
Ich habe mit diesem Glamour kein Problem, denn ich finde, es schadet sowohl Männern als auch Frauen nicht, gut auszusehen, während sie die Welt verändern (oder es zumindest versuchen).
Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt, der mich, die ich ja im richtigen Leben (?) mit Filmen zu tun habe, wirklich irritiert hat. Ich war neulich im Kino und habe mir Steve Jobs angeschaut (ja, ich schaue mir tatsächlich jeden Film mit Michael Fassbender an). Ein grandioser Film mit einem grandiosen Drehbuch, grandiosen Schauspielern und einer grandiosen Rolle für Kate Winslet. Aber davor kam die unvermeidliche Trailer-Show, und obwohl ich mich in einem Berliner Programmkino befand, bin ich fast vom Stuhl gefallen angesichts des Unsäglichen, was mir da präsentiert wurde.
The Big Short ist gestern für fünf Oscars nominiert worden. Es mag ein sehr guter Film sein (die Jungs, die da mitmachen, sind ja allesamt keine Idioten), aber ich frage mich, ob ich die einzige bin, der aufstößt, was der Trailer vermittelt. Eine Gruppe Männer versucht - recht erfolgreich, glaube ich -, vom Bankencrash 2007 zu profitieren. So weit so gut, aber ich sitze also im Kino, sehe die Jungs großkotzig in ihren Konferenzräumen sitzen, dann ein Schnitt, ein Luxushotel (in Vegas, nehme ich an, des Klischees wegen), und dann endlich - eine Frau. Die eine Stripperin ist.
Mir wird wirklich übel - nicht, weil der Film schlecht sein könnte (denn ich glaube tatsächlich nicht, dass er das ist), sondern weil die Filmindustrie das weibliche Publikum noch immer für so marginal hält, dass sie denkt, ein Film lässt sich so verkaufen. Es hätte vielleicht funktioniert, wenn sie Brad Pitt nicht aussehen ließen, als wäre er unter der nächstbesten Brücke hervorgekrochen, aber so? Ja, wahrscheinlich wird der Film trotzdem ein Erfolg, aber Frauen müssen die Macht nutzen, die die Wirtschaft bedeutet - sowohl für Männer als auch für Frauen. Ich werde mir diesen Film nicht ansehen, weil ich ihn für sexistisch halte, genauso wie ich keine Produkte kaufe von Firmen, deren Werbung sexistisch ist. Nicht einmal aus Prinzip, sondern weil es mich nicht anspricht. Weil es billig wirkt.
Meine Gedanken in Sachen Feminismus sind unstrukturiert und ändern sich stündlich - und wie es damit im Liebesroman-Genre aussieht, werde ich nächstens durchdenken. Aber was ich für am Allergefährlichsten halte, ist diese unwissende Selbstverständlichkeit, mit der Ungeheuerlichkeiten noch immer akzeptiert werden. Ich bin dafür, alles zu hinterfragen, kritisch zu sein, auch wenn man damit vielleicht übers Ziel hinausschießt. Nettigkeit kann auch Feigheit sein, und zwar dann, wenn wir uns nicht trauen, unsere Rechte einzufordern, weil es jemanden vor den Kopf stoßen könnte.