Nun geht es weiter mit dem nächsten autobiographischen Buch - und mit Eddy, der mittlerweile nicht mehr Eddy Bellegueule heißt, Eddy Schönmaul, sondern Édouard Louis, und in Paris studiert, sich in schicken intellektuellen Zirkeln (man google, wer sich hinter seinen nur beim Vornamen genannten Freunden Didier und Geoffroy verbirgt) bewegt und es überhaupt geschafft zu haben scheint.
Aber dann kommt diese eine Nacht an Weihnachten, als Édouard auf dem Heimweg einen attraktiven Mann kennenlernt und mit nach Hause nimmt. Sie haben Sex, sie lachen, alles ist gut, vielleicht könnte es sogar ein Wiedersehen geben, bis Édouard realisiert, sein iPad ist plötzlich in Redas Manteltasche, und sein Handy ist auch weg. Was folgt, ist brutal, aber beinahe noch brutaler ist das, was noch später passiert. Die polizeilichen Ermittlungen und die ärztlichen Untersuchungen. Die latente Homophobie und der nicht ganz so latente Rassismus, denn Reda hat einen Migrationshintergrund, und das ist der Polizei sehr wichtig. Édouard wehrt sich gegen diese Sichtweise, aber nur ein bisschen, denn er ist traumatisiert, und irgendwann fürchtet er, selbst zum Rassisten zu werden, seine ganze linksliberale Überzeugung zu verlieren, denn er hat Angst.
Das ist der Inhalt, aber genauso wichtig ist die Form. Édouard erzählt, und seine Schwester erzählt, die immer noch da ist, wo er so dringend weg wollte, in dem Kaff in Nordfrankreich, und sie erzählt ihrem Mann in ihren eigenen Worten, was Édouard ihr erzählt hat, während jener hinter der Tür steht und lauscht. Sie erzählt ihre Version der Geschichte, und ihr Bruder hört zu, und damit ist es beinahe eine Fortsetzung von Das Ende von Eddy, und das Happy End (gibt es sowas?) ist wieder beinahe greifbar und dann doch nicht.
Aber es ist zumindest ein bisschen ein Happy End, wenn man Bücher schreibt, und wenn dann die Theaterversion in der Berliner Schaubühne gezeigt wird.
(Und mein ganz persönliches Happy End ist, dass ich es endlich geschafft habe, Karten dafür zu bekommen.)