Das ist, wenn einer oder mehrere meiner Charaktere anfangen, sich selbstständig zu machen und ich nur noch dazu da bin, das aufzuschreiben, was sie wollen.
Alma aus Special Relations war so ein Fall. Sie sollte einfach nur Niloufars kleine Schwester sein und als solche - unfreundlich ausgedrückt - Nils Verhältnis zu ihrer Familie deutlich machen. Und dann, in ihrer ersten Szene, als sie morgens voller Wiedersehensfreude ins Zimmer der verschlafenen Nil stürmt, hat sie ein Eigenleben entwickelt und ich habe staunend zugesehen, wie sie alle anderen in den Hintergrund verbannt hat mit ihrer großen Klappe und dem weichen Herzen.
Und nun ist es wieder passiert.
Ich war fest entschlossen, als nächstes Roses Geschichte zu schreiben, und neben der Arbeit an letzten Feinheiten bei Dreiklang und dem Überarbeiten von Der Tod, das Mädchen und die Liebe hat mir das einiges an Kopfzerbrechen bereitet. Ich war noch nicht bereit, mich von Special Relations zu verabschieden, die einzigen Szenen, zu denen ich mir sinnvolle Gedanken machen konnte, waren die, in denen Rose Zeit mit Nil und Marcellus verbringt.
Es ist schlimm genug, vier Geschichten gleichzeitig im Kopf zu haben, aber dann auch noch so unstrukturiert zu sein, das macht es wirklich unerträglich.
Bis zu dem Moment letzten Samstag, als Julia, Marcellus' nicht ganz einfache Schwester, die nach Rose dran gewesen wäre, sich - ganz Schauspielerin, die sie ist - gnadenlos in den Vordergrund gedrängelt hat und mir ihre Geschichte en detail diktiert hat.
Plötzlich ist alles so klar, so einfach und so eindeutig, meine männliche Hauptfigur hatte innerhalb von etwa drei Minuten einen Namen, was sonst nie passiert und ich scharre sprichwörtlich mit den Hufen und warte auf ein paar Stunden für mich allein, wo ich endlich, endlich anfangen kann zu schreiben, und gleichzeitig zögere ich es gern noch ein bisschen hinaus, um diese lächerlich große Vorfreude zu genießen, sich in eine neue Geschichte zu stürzen, neue Charaktere zum Leben zu erwecken - denn noch sind sie neu, in ein paar Wochen aber schon werde ich mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen können, und dann, noch ein Weilchen später, meine Leser hoffentlich auch nicht mehr.