Einige Jahre sind vergangen, seit unser Held sich wegen einer Gewissensfrage aus dem englischen Parlament und damit auch aus der Londoner Gesellschaft zurückgezogen hat, um sich in einem ruhigen Leben in Dublin einzurichten, verheiratet mit seiner Jugendliebe Mary. Frisch verwitwet - Mary ist im Kindbett gestorben, und ich kann nicht behaupten, dass ich allzu unglücklich darüber bin (leider langweilig, die Dame) - wird er zurück nach London gerufen und wir sehen einen älteren, gereifteren und - meiner Meinung nach - wesentlich attraktiveren Phineas. Endlich kann ich nachvollziehen, warum ihm die Damenwelt zu Füßen liegt. Dies besonders dann, als sein Widersacher Mr. Bonteen ermordet und Phineas ein Indizienprozess gemacht wird, weil er sich am Abend des Mordes mit Bonteen einen öffentlichen Streit geliefert hat.
Ich weiß nicht, was es ist mit den Gerichtsszenen - im Gericht bin ich zum ersten Mal Sydney Carton begegnet und habe mich praktisch vom Fleck weg verliebt, und nun ist dasselbe mit Phineas Finn passiert. Seine Haltung, wie er - die Schlinge schon fast um den Hals - als Angeklagter im Old Bailey steht, ist beeindruckend, und das nicht nur, weil er laut seinem Schöpfer verdammt gut aussieht. Ihn von außen zu sehen ist faszinierend, und die Aussagen seiner Freunde, die alles tun, um den Unschuldigen zu retten, treiben einem beinahe die Tränen in die Augen.
Als dann Madame Goesler, die bis nach Prag gereist ist, um seine Unschuld zu beweisen, im Triumphzug nach London zurückkehrt, da ist schnell klar, dass ihr nicht nur das Herz der Leser, sondern auch das des Angeklagten endlich sicher ist.
Die Szene ihres Wiedersehens - in Anwesenheit der unverwüstlichen Glencora Palliser, die mittlerweile zur Herzogin geworden ist - ist eine der Besten, die ich von Trollope jemals gelesen habe. So viele unterdrückte Gefühle, so viel Spannung in so wenig Worten - das ist erotische Literatur in ihrer besten Form, und das alles in Worten, die für sich völlig harmlos sind.
Schande über mein Haupt, dass ich nicht nur bei Phineas und Marie, sondern auch bei den Pallisers gern durch verschlossene Türen schauen möchte. Diese beiden in ihrer eigentlich unvereinbaren Sperrigkeit sind eine Sache, die hoffentlich im nächsten Teil endlich genauer ergründet wird - oder vielleicht auch besser nicht, denn ich bin mit meiner eigenen Phantasie ganz zufrieden.